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Gesellschaft für bedrohte Völker erinnert an jahrzehntelangen Völkermord und fordert Unterstützung für Aufbau eines demokratischen Südsudan
Anlässlich des Referendums über eine Unabhängigkeit des Südsudan am kommenden Sonntag hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag auf einer Pressekonferenz in Berlin an das jahrzehntelange Leiden der südsudanesischen schwarzafrikanischen Bevölkerung erinnert. Der Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, forderte die Bundesregierung dazu auf, nach fünfeinhalb Jahrzehnten Völkermord im Südsudan jetzt den Aufbau eines demokratischen Staates zu unterstützen.
Als „deutliches Zeichen tatkräftiger Hilfe“ sollte Berlin dringend eine repräsentative diplomatische Vertretung in der südsudanesischen Hauptstadt Juba errichten, sagte der Menschenrechtler.
Bei der Entwicklung einer Verfassung könnte das Max-Planck-Institut für Völkerrecht in Heidelberg wertvolle Unterstützung leisten. Die südsudanesische Exilgemeinde in Deutschland wünsche sich außerdem Hilfe bei der Errichtung des Universitäts- und Schulsystems sowie von Einrichtungen für die handwerkliche und technische Ausbildung. Deutschland solle zudem die Entwicklungshilfe wesentlich verstärken und großzügig Gelder für die Wiedereingliederung südsudanesischer Flüchtlinge zur Verfügung stellen, die aus dem Nordsudan und den Nachbarstaaten zurückkehren könnten.
„Drei Generationen der Dinka, Nuer, Schilluk und Anuak, der Bari, Zande und anderer schwarzafrikanischer Völker haben Frieden so gut wie niemals kennen gelernt“, sagte Zülch. Von 1955 bis heute fielen im Südsudan, in den Nuba-Bergen und zuletzt in Darfur bis zu vier Millionen Schwarzafrikaner Völkermordverbrechen zum Opfer. Nachdem die britische Kolonialmacht den Süden des Landes der Herrschaft des arabischen Nordsudan ausgeliefert hatte, ließ das Regime in Khartum schon in den 50er und 60er Jahren dort ganze Dorfgemeinschaften auslöschen. Christliche Gemeinden wurden in ihren Kirchen eingesperrt und verbrannt, südsudanesische Führungskräfte liquidiert und unzählige Südsudanesen zu Tode gefoltert. Nach einem kurzen Frieden wurde von 1983 an der Vernichtungskrieg mit Massakern, Massenvertreibungen, der gezielten Bombardierung von Schulen, Krankenhäusern und anderen zivilen Einrichtungen fortgeführt. Auch Hunger wurde gezielt als Waffe eingesetzt und große Teile des Landes wurden systematisch verwüstet. Millionen Schwarzafrikaner mussten fliehen.
Der Südsudan ist Symbol für jahrzehntelang unbeachteten, verdrängten, verleugneten Genozid geworden. Die Politik der religiösen Unterdrückung, ökonomischen Ausbeutung, „rassischen“ Verfolgung und sozialen Diskriminierung dauerte dort bis 2005. „Viele Jahre unterstützten europäische oder nordamerikanische Regierungen die wechselnden sudanesischen Regimes“, sagte Zülch. „Jetzt ist es endlich Zeit, Wiedergutmachung zu leisten.“